Betrachtungen zu Sinn und Unsinn von Purpose

Kategorie(n): Führung | Identität

Ganz klar: Purpose liegt voll im Trend. Dem entsprechend wird vielerorts von Unternehmen gefordert, sich mehr Gedanken über ihre Daseinsberechtigung jenseits puren Profitstrebens zu machen. So weit so begrüßenswert. Doch was ist überhaupt ein guter Purpose? Was braucht es, um ihn mit Leben zu füllen? Wie weit kann er tatsächlich entscheidungs- und handlungsleitend sein? Ist Purpose wirklich die Lösung für die vielfältigen Herausforderungen in der heutigen Unternehmenswelt?

Fragen, die mich bewegen und die ich hier ein wenig ausleuchten möchte. Mit diesem Blogbeitrag lade ich Sie zu einem kleinen Rundflug rund um Sinn und Unsinn von Purpose ein. Vielleicht stoßen Sie dabei auf Gedanken, die Sie Purpose in einem neuen Licht betrachten lassen.

Was ist eigentlich gemeint, wenn von Purpose die Rede ist?

Folgt man Simon Sinek ist Purpose der Schlüssel für außerordentlichen Unternehmenserfolg. Seinem Golden Circle ist es – in seiner Anschaulichkeit – zweifelsfrei zu verdanken, dass sich der Purpose mittlerweile so großer Beliebtheit erfreut.

Liest, hört und sieht man sich ein paar Stunden (oder Tage) lang durch die unzähligen Beiträge zum Thema Purpose, trifft man auf eine Vielzahl alternativer Begriffe und Auslegungen. Einige Autoren verweisen zu Recht darauf, dass die Frage nach dem „Warum?“ nur bedingt zukunftsgerichtet sei und plädieren dafür, stattdessen der Frage nach dem „Wozu?“ beziehungsweise „Wofür“ zu folgen. Dies führt im Weiteren zu Begriffen wie Vision und höheres Ziel. Zudem kommen Begriffe wie Unternehmenszweck und zentrale Unternehmensidee, unternehmerische Daseinsberechtigung ins Spiel. Und natürlich wird Purpose immer wieder auch einfach mit Sinn übersetzt.

Dabei ist der Purpose für die einen zwingend an einen Beitrag zur Verbesserung der Welt gebunden, für andere geht es schlicht um den Nutzen. Ich persönlich teile eher die letztgenannte Haltung. Hier lautet die Frage: Welches Problem kann ein Unternehmen mit seinen Mitteln und Möglichkeiten lösen? Hat es darauf eine Antwort, bietet es Mitarbeitenden und Kunden Sinn. Reicht es dem gemäß nicht, wenn ein Friseur mit einem guten Haarschnitt dazu beiträgt, dass sich seine Kundinnen und Kunden schöner fühlen? Oder ein Beamter der Finanzaufsicht mit seiner Arbeit dafür sorgt, dass Steuergelder nicht veruntreut werden?

Es wird wohl kaum jedem Unternehmen möglich sein, ernsthaft einen Beitrag zur Verbesserung der Welt zu leisten. Manches Unternehmen müsste seine Produktion – zum Beispiel unter Aspekten des Klimaschutzes – gleich ganz einstellen. Da hilft dann auch kein grün bepflanztes Dach auf dem Firmengebäude.

Purpose als Weg zu mehr Markenwert und Wachstum

Inzwischen fordern laut Absatzwirtschaft allerdings zwei von drei Verbrauchern, dass Unternehmen einen Beitrag für die Gesellschaft oder Umwelt leisten. Zahlreiche namhafte Werber sind diesem Ruf gefolgt und wollen Kunden auf der Suche nach ihrem Purpose unterstützen.

So zum Beispiel Human Unlimited, Dorothy, The Lakehouse, The Godwins und Häppy, um nur die prominentesten Vertreter ihrer Zunft zu nennen. Selbstverständlich setzen sich all diese Agenturen mit ihrem Angebot attraktiv in Szene. Sie verstehen etwas von Markenbildung und Emotionalisierung, keine Frage. Doch verstehen sie auch etwas von Organisationsentwicklung, von systemischen Dynamiken? Sind sie in der Lage, in den Tiefen eines Unternehmens einen Purpose zu finden (und nicht zu er-finden)? Einen Purpose, der mehr ist als ein nettes Label? Einen, für den das Unternehmen so glaubwürdig einstehen kann wie beispielweise die Drogeriemarktkette dm, deren Gründer Götz Werner schon vor Jahrzehnten erkannte, dass Know-why wichtiger ist als Know-how?

Noch mehr Zweifel kommen mir beim Blick auf die Website der Purpose-Beratung Brighthouse, einer Tochter der Boston Consulting Group. Als „Original Home of Purpose“ nimmt die Beratung für sich in Anspruch, bereits vor 25 Jahren „die Rahmenbedingungen für das Entdecken und Einbetten von Purpose geschaffen“ zu haben. Schaut man genauer hin, geht es hier jedoch weit weniger um Sinnstiftung nach innen und außen als um Markenwert und (wen wundert’s!) Wachstum!

Purpose und der Ruf nach einem „höheren Sinn“

Deutlich ganzheitlicher behandeln die beiden Neuwaldegger Berater Franziska Fink und Michael Moeller das Thema. In ihrem Buch Purpose Driven Organizations definieren sie Purpose als einen „höheren Sinn“, eine „Energie und Orientierung stiftende Überzeugung und Motivation, einen Beitrag zu etwas zu leisten, das über den eigenen Vorteil und Nutzen weit hinausgeht.“ Auch aus ihrer Sicht:

  • sorgt Purpose für mehr Leistung.
  • macht Purpose erfolgreicher am Markt.
  • steigert Purpose das Unternehmenswachstum.
  • erhöht Purpose die Attraktivität gegenüber Mitarbeitern und Kunden.
  • liefert Purpose einen Beitrag zum Gemeinwohl.
  • macht Purpose fit für die Zukunft.

Das alles jedoch nur, wenn Purpose gezielt genutzt werde, um Komplexität zu reduzieren und Entscheidungen zu organisieren. So verknüpfen die beiden Autoren Purpose mit der Systemtheorie von Niklas Luhmann, erklären, warum es Purpose gerade jetzt braucht, und beschreiben praktische Gestaltungs- und Entwicklungsmöglichkeiten von Purpose Driven Organizations.

Purpose als Teil der Unternehmens-Identität

Wie aus dem Buch von Franziska Fink und Michael Moeller hervorgeht, ist die alleinige Formulierung eines Purpose noch lange keine Garant dafür, dass ein Unternehmen „Purpose Drive“ aufnimmt. Soll Purpose seine Orientierung gebende Wirkung entfalten, ist es nötig, die Organisation als Ganzes in den Blick zu nehmen.

Der eigenen unternehmerischen Identität auf den Grund zu gehen, scheint mir damit deutlich sinnvoller, als nur der Frage nach dem Purpose zu folgen. Denn weit mehr als der Purpose gibt Identität Auskunft über Herkunft und Zukunft eines Unternehmens, über Werte und wünschenswerte Kultur. Ist sie im Unternehmen verankert, wird sie gelebt, bietet sie einen Rahmen für Identifikation, gelingende Kommunikation und Zusammenarbeit.

Damit hilft die unternehmerische Identität dem Einzelnen zu prüfen, wie weit er sich mit seinem individuellen (Lebens-)Sinn in das Unternehmen einbringen kann und will. Gelingt der Match, profitieren beide Seiten. Verordnen lässt er sich ganz sicher nicht!


Als Profilberaterin unterstütze ich Führungskräfte und Unternehmer seit bald 20 Jahren, ihrer Identität auf den Grund zu gehen. Die Frage nach dem tieferen Sinn ihres Tuns war und ist immer wesentlicher Teil dieser Arbeit. Gerne begleite ich auch Sie, Ihre unternehmerische Identität zu ergründen und damit mehr als Ihren Purpose zu finden.

Ich freue mich, wenn Sie den Beitrag teilen.

2 Kommentare

  1. Liebe Katrin,

    eine aus meiner Sicht ganz wunderbare Betrachtung des aktuellen Hypes, in nachgerade allen Unternehmen einen Purpose zu definieren, der über die eigentliche Leistung bzw. die Produkte hinausgeht. Häufig beschleicht mich der Eindruck, dass ein mühevoll definierter und feingeschliffener Purpose primär als Werbebotschaft dient und nicht dem Zweck entspricht, wofür er ehemals gedacht war.

    Herzliche Grüße
    Anja

    Antworten
    • Hallo Anja,
      dank Dir für Dein Feedback zu meinem Blog-Beitrag. Freue mich, dass Du eine ähnliche Einschätzung hast wie ich. Beobachte auch häufig, dass mit dem Purpose das gleiche passiert, wie mit vielen Leitbildern.
      Auf Hochglanz gebracht, hängt der Purpose dann in den Fluren der Unternehmen und jeder Mitarbeiter denkt sich: „Okay, mal wieder eine neue Kuh…“
      Wie schade, denn die Suche nach dem Sinn macht ja durchaus Sinn, sofern sie angemessen in einen Organisations- oder Teamentwicklungsprozess eingebunden wird.
      Liebe Grüße
      Katrin

      Antworten

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