Über Selbstwert, Selbstvertrauen und Selbstzweifel in der Selbstständigkeit
- Bin ich gut genug?
- Kann ich das?
- Ist das wertvoll, was ich zu bieten habe?
- Ist das für Kunden attraktiv?
- Gibt es dafür einen Markt?
Fast immer begegnen mir in der Arbeit mit meinen Kunden diese Fragen. Meine Kunden sprechen in diesem Zusammenhang oft von unzureichendem Selbstwert.
Dabei wirkt sich das persönliche Selbstbild unmittelbar auf den Erfolg im Markt aus. Bin ich vom eigenen Wert und dem Wert meiner Leistung überzeugt, erziele ich positive Resonanz. Fehlt diese Überzeugung bleibt auch die Resonanz beziehungsweise der Geschäftserfolg aus. Das habe ich in meiner mehr als 20-jährigen Selbstständigkeit immer wieder mal selbst erlebt.
Ich fand es daher lohnenswert, einen Blog-Beitrag zum Thema Selbstständigkeit und Selbstwert zu schreiben. Meine Recherche zu dem Themenkomplex lieferte jedoch fast ausschließlich Banalitäten: „Glaub einfach an dich!“, „Arbeite an deinen Glaubenssätzen!“…
Und dann erwischten mich die Zweifel
- Was genau will ich sagen?
- Was ist meine Botschaft?
- Worauf will ich hinaus?
- Welche Hilfestellungen kann ich anbieten?
So bin ich vom Thema Selbstwert schließlich beim Zweifeln angelangt. Zweifel sind üblicherweise nicht allzu angenehm, aber – wie ich finde – durchaus wertvoll. Zwingen sie einen doch, genauer hinzuschauen, mehr in die Tiefe zu gehen, herauszufinden, worum es (einem) wirklich geht.
Bei diesem Gedanken tauchten weitere Fragen in mir auf. Welcher Begriff ist jetzt eigentlich passend? Geht es um Selbstwert, um Selbstvertrauen, um Selbstwirksamkeit, Selbst…?
Mruks Modell zu Selbstwert und Selbstvertrauen
Einen hilfreichen Ansatz fand ich schließlich bei Christopher Mruk. Er ist Professor für Psychologie an der Bowling Green State University Ohio und hat zwei Bücher zum Thema Self Esteem geschrieben. Eine gute Zusammenfassung findet sich in seinem mehrteiligen Blog-Artikel in Psychology Today.
Mruk unterscheidet auf zwei Achsen zwischen worthiness und competence. Das, was sich bei ihm hinter diesen Begriffen verbirgt, lässt sich im Deutschen gut als Selbstwert und Selbstvertrauen bezeichnen:
- Selbstwert = innere Überzeugung, als Mensch wertvoll zu sein
- Selbstvertrauen = Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen
- Mruks Self Esteem übersetze ich hier jetzt mal recht frei als Selbstverständnis oder Selbstbild.
In Anlehnung an sein Modell sieht das dann wie folgt aus.

Negatives Selbstbild: Menschen mit niedrigem Selbstwert und niedrigem Selbstvertrauen bleiben oft im Grübeln stecken und vermeiden jegliche Handlungen, die mit dem Risiko einhergehen, sich als unfähig zu erleben und keine Anerkennung zu erfahren. Einem derartigen Mangelerleben liegen oft tiefere Ursachen zugrunde, weshalb in vielen Fällen therapeutische Unterstützung sinnvoll ist.
Labiles Selbstbild I: Menschen mit einem stabilen Selbstwert aber geringem Selbstvertrauen sind auf Anerkennung angewiesen. Gegenüber Kritik reagieren sie empfindlich bis ablehnend. Denn auf keinen Fall darf der Zweifel an den eigenen Fähigkeiten offenbar werden.
Labiles Selbstbild II: Diese Menschen kompensieren ihren geringen Selbstwert durch ihre Fähigkeiten, gute Leistungen und Wettbewerbsorientierung. Um nicht zu spüren, dass sie sich in der Tiefe für wertlos, für nicht liebenswert halten, müssen sie sich fortlaufend beweisen.
Positives Selbstbild: Menschen mit einem positiven Selbstbild sind fähig und bereit, Herausforderungen anzunehmen und zielorientiert zu handeln. Sie können ein gescheitertes Vorhaben oder ausbleibende Anerkennung beleuchten, ohne die Ursache dafür einseitig bei sich oder anderen zu suchen. Dabei stellen sie weder ihren Selbstwert noch ihr Selbstvertrauen grundsätzlich in Frage.
Selbstbeobachtung und Selbstbestätigung
Soweit die Theorie. Im echten Leben bewegen sich viele Menschen sicher mal mehr oder weniger in dem einen oder anderen Quadranten.
Ich selbst konnte mich in der Vorbereitung dieses Beitrags jedenfalls in den beiden labilen Varianten erleben. Oben links: Wird das irgendwer für lesenswert halten, was ich schreibe? Werde ich Resonanz erfahren? Unten rechts: Habe ich ausreichend recherchiert und reflektiert? Hat das, was ich schreibe Hand und Fuß?
Solange ich mit derlei Überlegungen beschäftigt war, bin ich nicht ins Handeln gekommen. Erst als ich mich von der Vorstellung gelöst hatte, mit meinem Beitrag mehr erreichen zu müssen als selbst ein wenig mehr zu dem Themenkomplex zu wissen und zu verstehen, wurde der Weg frei. Und dann ging es ganz leicht voran.
Als ich bei meiner weiteren Recherche dann auf das Modell von Mruk stieß, war ich voll Freude darüber, wie weit sich mein eigenes Erleben darin widerspiegelt. Und es hat meine Überzeugung gestärkt, dass man eine gute Portion Selbstwert und Selbstvertrauen braucht, um seine Vorhaben motiviert umzusetzen.
Schritt für Schritt dein Selbstbild stärken
Um am Ende zu den (Selbst-)Zweifeln zurückzukommen: Sie können wie gesagt fruchtbar sein. Wenn sie massiver – das heißt nicht nur im Zusammenhang mit der Erstellung eines Blogbeitrags – auftauchen, dann meist, wenn wir ein vertrautes Land verlassen und das neue noch nicht wirklich in Sicht ist. Das ist am Anfang der Selbstständigkeit so und auch in den Jahren danach, wenn wir uns selbst oder der Markt sich verändert haben. Wahlweise hilft eine gute Positionierung oder eine Re-Positionierung.
Und dann heißt es, mach dich frei von zu hohen Selbstansprüchen oder dem Gedanken daran, was andere über dich denken. Auch wenn dir das niemals ganz gelingen wird, versuch es (gegebenenfalls in Minischritten) im Rahmen deiner Möglichkeiten. Und dann lass dich von dem überraschen, was passiert.
Ich bin sicher: In den meisten Fällen erlebst du viel mehr Positives als Negatives!
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